Asylbewerbereleistungsgesetz
§ 4 Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt
(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht.
(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.
(3) Die zuständige Behörde stellt die Versorgung mit den Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sicher. Sie stellt auch sicher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wird. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Absatz 2 und § 132e Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.
Begründung des Gesetzgebers zur Änderung des § 4 Asylbewerberleistungsgesetzes zum 1. November 2015 (Quelle Bt-Ds 18/6185)
Amtlich empfohlene Schutzimpfungen und medizinisch notwendige Vorsorgeuntersuchungen werden bislang als Bestandteil des Sicherstellungsauftrags der Leistungsträger in Absatz 3 aufgeführt. Damit ist bereits nach geltendem Recht ein subjektiv-rechtlicher Anspruch der Leistungsberechtigten auf Versorgung mit den dort genannten Schutzimpfungen verbunden. Die Einfügung von Satz 2 stellt ferner klar, dass der Anspruch auf Krankenhilfe nach Absatz 1 auch die Versorgung mit den genannten vorbeugenden Gesundheitsleistungen umfasst. Der Umfang der Leistungen für Schutzimpfungen wird neu bestimmt. Die bisherige Regelung in Absatz 3 nahm auf die öffentlichen Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe der obersten Landesgesundheitsbehörden nach § 20 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes Bezug. Dies ist unpassend, da die öffentlichen Empfehlungen eine spezielle Funktion im Impfschadensrecht nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Infektionsschutzgesetzes haben und nicht für leistungsrechtliche Zwecke bestimmt sind. Die öffentlichen Empfehlungen der Länder sind ihrem infektionsschutzrechtlichen Zweck entsprechend sehr weit gefasst, so dass sie teilweise über die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut – und damit auch über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung – hinausgehen.
Der Umfang der Leistungen für Schutzimpfungen bestimmt sich nun – wie in § 2 Absatz 1 AsylbLG i. V. m. § 52 Absatz 1 Satz 1 (analog) des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) – nach den entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit wird im Unterschied zur bisherigen Rechtslage ein bundeseinheitlicher Leistungsanspruch festgelegt, bei dem zugleich sichergestellt ist, dass er den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreitet. Die Regelung gewährleistet darüberhinaus, dass während des gesamten Leistungsbezugs nach diesem Gesetz ein kontinuierlicher Leistungsanspruch auf Schutzimpfungen besteht. Der bundeseinheitliche und kontinuierliche Leistungsanspruch nach bekannten Maßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung vermindert Prüf- und Bürokratieaufwand bei der Leistungserbringung insbesondere in Fällen, in denen gemäß § 4 Absatz 3 Satz 3 (neu) niedergelassene Ärzte tätig werden.
(...)
Bei Satz 1 handelt es sich um eine Folgeänderung zu der Änderung des § 4 Absatz 1. Satz 2 soll im Interesse der öffentlichen Gesundheit sicherstellen, dass die Gruppe der Asylsuchenden frühzeitig einen der Gesamtbevölkerung vergleichbaren Impfschutz aufweist. Asylsuchende sind eine zentrale und bedeutsame Zielgruppe, wenn es darum geht, Impflücken in der Bevölkerung zu schließen. Allerdings ist die tatsächliche Durchführung von Schutzimpfungen bei Asylsuchenden in den Bundesländern unterschiedlich ausgeprägt. Infolge von fehlendem Impfschutz und unter den Bedingungen einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist es bereits zu Ausbrüchen von impfpräventablen Krankheiten wie z.B. Masern gekommen, die unter Asylsuchenden ihren Ausgang nahmen und die auch zu vorübergehenden Schließungen von Erstaufnahmeeinrichtungen führten. Satz 2 regelt daher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig, regelhaft und aktiv Schutzimpfungsleistungen anzubieten sind, damit der notwendige Impfschutz auch in Anspruch genommen wird. Dabei sollten aus fachlicher Sicht die Standardimpfungen gegen hochkontagiöse oder schwer verlaufende Krankheiten angeboten werden. Unter den Leistungsberechtigten ist mit einer hohen Akzeptanz von Schutzimpfungen zu rechnen. Eine geeignete Gelegenheit für entsprechende Impfangebote bietet insbesondere die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 Absatz 1 des Asylgesetzes. Durch das frühzeitige und konsequente Vorgehen, etwa durch Reihenimpfungen, kann die gesamte Zielgruppe gut erreicht werden. Das Vorgehen ist effektiver und ressourcensparender als Maßnahmen zur Schließung von Impflücken, die erst zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen und nicht flächendeckend sind. Im Hinblick auf die Erbringung von Schutzimpfungsleistungen ist wegen der Vergütung zusätzlich auf die Verträge nach § 132e Absatz 1 des Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) Bezug zu nehmen, da die Erbringung von Schutzimpfungsleistungen dort und nicht in den Verträgen nach § 72 Absatz 2 SGB V geregelt ist.